Überraschend: Prostitution ist in Hessen trotz Corona erlaubt

Vor rund einem Jahr mussten wegen der Corona-Restriktionen in Hessen alle Bordelle schließen. Lange Zeit gingen die Behörden davon aus, dass dies temporär ein generelles Verbot von Prostitution bedeutet. Dem ist jedoch nicht so.

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Prostitution in Hessen erlaubt?!

Die Prostitution ist wohl eines der Gewerbe, das von den Corona-Beschränkungen am stärksten betroffen ist. In einigen Bundesländern sind alle Bordelle bereits seit einem Jahr durchgängig geschlossen. Eines davon ist Hessen. Doch ist dort mit dem Verbot des Betriebs von Prostitutionsstätten eigentlich generell die Ausübung von Prostitution aktuell verboten?

Nein, was für viele jedoch lange Zeit unklar war – auch für die Behörden. Zwar bieten etwa im Frankfurter Bahnhofsviertel auf dem Straßenstrich oder über einschlägige Internet-Portale viele Prostituierte aus Hessen auch während der Corona-Pandemie weiterhin ihre Dienste an, so richtig wusste allerdings niemand, ob das wirklich erlaubt ist. Denn unabhängig davon, dass Straßenprostitution im Frankfurter Bahnhofsviertel grundsätzlich illegal ist, stellte auf der einen Seite das Frankfurter Ordnungsamt Anfang September des vergangenen Jahres gegenüber dem Hessischen Rundfunk zunächst fest: „Nach der CoKoBeV [Corona-Verordnung] ist die Ausübung der Prostitution derzeit in Hessen verboten.“

Auf der anderen Seite wird in der besagten Corona-Verordnung Prostitution als solche jedoch mit keinem Wort erwähnt. Lediglich die Schließung von Bordellen ist dort angeordnet.

Das hat inzwischen auch das Ordnungsamt erkannt, weshalb man sich vor kurzem zu einer Klarstellung respektive Relativierung gezwungen sah: „Somit ist festzuhalten, dass laut Verordnung lediglich Prostitutionsstätten der Schließung unterliegen und nicht die Prostitution als solche.“

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Sozialministerium informiert Ordnungsämter über neue Rechtsansicht

Der Anstoß für die Klarstellung des Frankfurter Ordnungsamts ging mutmaßlich von einem Schreiben des hessischen Sozialministeriums aus, in dem dieses nach eigenen Angabe bereits Anfang März dieses Jahres alle Ordnungsämter über ihre Neuauffassung der rechtlichen Situation informiert hat.

„Die bisherige Rechtsansicht, dass die Verordnung ein umfassendes Prostitutionsverbot für jegliche sexuelle Dienstleistungen außerhalb der in der Verordnung und den Auslegungshinweisen genannten Einrichtungen regelt, wird unter Berücksichtigung der Rechtsprechung nicht aufrechterhalten“, heißt es in dem Schreiben. Demnach betreffe das Verbot nur Prostitutionsstätten wie Bordelle, Straßenstrich, Terminwohnungen, Stundenhotels oder Verrichtungsboxen.

Auch von offizieller Seite sind die diesbezüglich geltenden Corona-Regeln also bereits neu ausgelegt worden. Für viele kommt das überraschend – auch für den Verein „Frauenrecht ist Menschenrecht“, der in Hessen Prostituierte berät. Encarni Ramírez Vega, stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins, stellte deshalb nun fest, dass es ab sofort erlaubt sei, wenn Freier Prostituierte bei sich in der Wohnung oder Prostituierte Freier bei sich in ihrer Wohnung empfangen.

Bordellbetreiberin beschreitet Rechtsweg

Sicherlich ein Sieg für die freie Berufsausübung von Sexarbeiter/innen in Corona-Zeiten. Dennoch: Für die Bordelle ändert sich nichts. Sie bleiben weiterhin geschlossen. Etwas, für dass Nadine Maletzki, Betreiberin des „Sex Inn“ im Frankfurter Bahnhofsviertel, nur wenig Verständnis hat. Schließlich floriert der illegale Straßenstrich in Frankfurt zusehends.

Laut der Bordellbetreiberin könne man der Situation „nur durch eine dauerhafte Präsenz von Ordnungskräften“ Herr werden. Dem Hessischen Rundfunk erklärte allerdings das Frankfurter Ordnungsamt, dass dies weder durch die Stadt- noch durch die Landespolizei möglich wäre.

Maletzki will sich damit jedoch nicht abfinden und hat inzwischen Anzeige gegen die Stadt Frankfurt erstattet, da diese ihrer Meinung nach nicht genügend gegen die illegale Prostitutionsausübung auf den Straßen tue. Im „Sex Inn“ könne sie nämlich zumindest ein Hygiene-Konzept durchsetzen.