Fachverbände warnen vor einem Sexkaufverbot

Über das Verbot der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen (kurz: Sexkaufverbot) zum Schutz von Sexarbeitern wird in der Politik hitzig diskutiert. Indessen sind sich die Experten von Branchenverbänden und Beratungsstellen weitestgehend einig, dass ein Sexkaufverbot Prostituierten mehr schaden als nützen würde.

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Das sind die Gefahren eines Sexkaufverbots

Prostitution ist ein heikles Gewerbe, in dem Menschenhandel, Ausbeutung und Gewalt an der Tagesordnung sind. Daher die Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, Sexarbeiter in Deutschland besser zu schützen? Für einige Bundestagsabgeordnete aus verschiedenen Parteien liegt das auf der Hand: Mit einem Sexkaufverbot.

Experten von Branchenverbänden und Beratungsstellen kritisieren diesen Vorstoß. Es heißt, eine Kriminalisierung von Prostitution würde nicht den gewünschten Effekt haben. In einem Positionspapier, dass anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November 2019 vorgestellt wurde, werden anhand von Studien sinnvolle Alternativen in die Diskussion eingebracht.

Aber welche Gefahren birgt ein Sexkaufverbot? Das größte Risiko ist die Zunahme der Gewalt an Prostituierten. Das zeigt eine Studie der Queen's Universität Belfast, die zu dem Ergebnis kommt, dass das in Nordirland 2015 eingeführte Sexkaufverbot das Vorkommen von Praktiken wie Bedrohung, Belästigung und Verweigerung von Bezahlung um mehrere hundert Prozent gesteigert hat.

Weitere Studien machen deutlich, dass es durch eine Kriminalisierung von Prostitution vermehrt zur Ausbeutung von Sexarbeitern kommen würde. Statt an kontrollierbaren Arbeitsorten der Sexarbeit nachzugehen, käme es zur Verdrängung und Isolation, was käufliche Liebe in ein illegales Milieu verschiebt. Es würde Prostituierten erschwert, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Laut Johanna Thie, Fachreferentin „Hilfen für Frauen“ der Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V., wären davon vor allem Minderheiten wie Migranten, Transmenschen oder Drogenkonsumenten negativ betroffen.

Außerdem würde sich mehreren Studien zufolge das Risiko einer Infektion mit HIV oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten um das zweifache erhöhen. Zusätzlich käme es zu einer Schwächung der Position von Prostituierten, da ein Sexkaufverbot immer auch eine Art Bevormundung darstellt und ihnen somit die Fähigkeit eigenverantwortlichen Handelns abgesprochen werden würde.

Claudia Zimmermann-Schwartz, Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V., erläutert: „Laut Bundesverfassungsgericht fällt Prostitution unter die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit. Der Anspruch, Menschen schützen zu wollen, rechtfertigt nicht die Verletzung von Grundrechten.“ Ein Sexkaufverbot wäre also schon allein mit der deutschen Verfassung nicht vereinbar, weil es auch die betrifft, die diese Tätigkeit ausüben.

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Mehr Akzeptanz für Sexarbeiter

Welche Alternativen gibt es und was wären stattdessen geeignete Maßnahmen? Sven Warminsky, Vorstand der deutschen Aids-Hilfe, meint, man müsse mehr Akzeptanz und Respekt für Sexarbeiter schaffen. Nur wenn der Beruf von der Gesellschaft anerkannt wird, sind sicherere Arbeitsbedingungen und die Inanspruchnahme von Prävention und Hilfsangeboten vorstellbar.

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Im Vordergrund steht das Selbstbestimmungsrecht des Individuums über seine Lebensumstände und die Wahl des eigenen Berufs. Sozialarbeiter oder Berater sollen die Bedürfnisse und Entscheidungen der Prostituierten bei ihrer sozialen Arbeit akzeptieren und respektieren, ohne in einen Modus der Bevormundung zu verfallen. Auf diese Weise ließe sich nachhaltig für einen besseren Schutz der Betroffenen von Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel sorgen.

Ausbau sicherer Arbeitsbedingungen

„Prostitution und Menschenhandel oder Zwangsprostitution müssen getrennt betrachtet werden. Es gibt Frauen, die selbstbestimmt mit Prostitution ihr Einkommen verdienen. Menschenhandel hingegen ist eine Verletzung der Menschenrechte“, erklärt Susanne Kahl-Passoth, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Daher sei es die falsche Maßnahme, ein Sexkaufverbot zu verhängen und Sexarbeiter an der Ausübung ihres Berufs zu hindern. Was man tun müsse, ist es, den Ausbau sicherer Arbeitsbedingungen voranzutreiben.

Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission e.V. – Beratungsstelle für Prostituierte, fordert mehr Hilfsangebote für Betroffene. Darunter fallen sowohl Stellen zur medizinischen Betreuung etwa bei Schwangerschaft als auch Präventionsangebote wie eine Impfung gegen Hepatitis A und B oder anonyme Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten. Darin eingeschlossen sind dezidierte Fachberatungen, die auf das jeweilige Anliegen spezifisch und mit individuellen Maßnahmen eingehen können.

Claudia Rabe, Koordinatorin von contra – Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein im Frauenwerk der Nordkirche, verdeutlicht: „Zweifelsohne müssen Betroffene von Menschenhandel, Ausbeutung und Gewalt besser geschützt werden. Nötig sind zum Beispiel umfassende Schutzrechte unabhängig von Aufenthaltsfragen, ein Zeugnisverweigerungsrecht für Beratende und flächendeckende Verfügbarkeit von Fachberatungsstellen.“ Darüber hinaus ist es notwendig, dass nicht nur Gelder zur Finanzierung von mehr Fachberatungsstellen bereitgestellt werden, sondern auch Wohnraum zur Unterbringung von Gewaltopfern aus dem Prostituionsgewerbe geschaffen wird.

Um die Umsetzung der genannten Punkte zu vereinfachen, meinen Experten, dass der Schutz von Sexarbeitern kein bundeslandspezifisches Problem darstellen dürfe. Man müsse bundeslandübergreifend zusammenarbeiten und interdisziplinäre Kooperationskonzepte fördern, um Prostituierten ein sicheres Arbeitsumfeld zu bieten.

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Versorgungsangebote anstelle von Sexkaufverbot

Das Positionspapier soll den Politikern aufzeigen, dass ein Sexkaufverbot nicht der heilige Gral zum Schutz von Sexarbeitern wäre, sondern viel eher das genaue Gegenteil bewirken würde. Dennoch: Prostituierte müssen vor Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel geschützt werden. Deshalb ist es wichtig, den Ausbau eines sicheren Arbeitsumfeldes voranzutreiben und die Akzeptanz des Berufs in der Gesellschaft zu stärken.

Neben gesetzlichen Rahmenbedingungen brauchen Prostituierte dafür Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten sowie medizinischer Versorgung – immer auf ihre individuelle Situation zugeschnitten. Nur auf diese Weise ließe sich sicherstellen, dass Prostituierte ausreichend geschützt sind.