Filmtipp: „Camgirl: Wahnsinnige Begierde“: Nüchternes Drama über Camgirls

Was passiert, wenn ein nerdiger Online-Pokerspieler auf ein attraktives Camgirl trifft? Dieser Frage widmet sich der neue Film „Camgirl: Wahnsinnige Begierde“, der einige Probleme der heutigen Zeit wie Entfremdung, Realitätsverlust und Abhängigkeit, die durch das Internet und Online-Pornografie bzw. Erotikcams eine ganz neue Dimension erhalten haben, gekonnt thematisiert.

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Nerd trifft auf attraktives Camgirl – darum geht's in „Camgirl: Wahnsinnige Begierde“

Das Phänomen Camgirls ist inzwischen fester Bestandteil des Internets, meist eng verknüpft mit Pornografie. Doch so etabliert wie es in der virtuellen Welt der heutigen Zeit eigentlich ist, bestehen in der Gesellschaft immer noch viele Vorurteile, die mit Stigmatisierung und Tabuisierung einhergehen.

Kein-Wunder also, dass die Filmkunst das Thema „Cam-Girls“ bisher nur selten aufgegriffen hat. „Camgirl: Wahnsinnige Begierde“, der neue Film des Regisseurs und Musikers Ben Hozie, bricht nun jedoch das Gebot der Verschwiegenheit und zeichnet in einem eineinhalbstündigem Drama ein einmalig realistisches Bild des Webcam-Business.

Aber worum geht es konkret? Ein alleinstehender Eigenbrödler – ja, man könnte ihn auch als Nerd bezeichnen – namens Jack (Peter Vack), der als Programmierer arbeitet, den Großteil seiner Zeit allerdings mit Online-Poker verbringt, stößt auf eine ihm bislang weitestgehend fremde Welt des Internets. Die Welt der Erotikcams. Als er irgendwann zufällig im Private-Cam-Bereich einer Pornoseite landet und dort Camgirl und Domina Scarlet kennenlernt, verändert sich sein Leben schlagartig.

Es entsteht eine doppelbödige Beziehung zwischen den beiden, die zunächst nur virtuell und rein geschäftlich ist – und die von Seiten Jacks immer obsessivere Züge annimmt. Beim Spaziergang durch New Yorks Chinatown glaubt er eines Tages dann, die laut eigener Aussage an der Westküste lebende Scarlett in der realen Welt erkannt zu haben. Das ist der Beginn eines spannungsgeladenen Erotik-Thrillers gemischt mit Romantic-Comedy-Elementen, in der virtuelle und reale Welt immer mehr miteinander verschmelzen.

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Im Video: Trailer zu Camgirl: Wahnsinnige Begierde

 

Nüchternes Camgirl-Drama aus zwei Perspektiven

Auffällig ist, dass der Film ein ziemlich nüchternes und realistisches Bild von Online-Erotik und Private-Cams zeichnet – ohne den typischen Hollywood-Kitsch. Das fängt schon bei der Darstellung der Beziehung zwischen Jack und Scarlet an, die durch ein doppeltes und paradoxes Machtgefälle konstituiert ist. Er als ihr zahlende Zuschauer, der – so sollte man zumindest meinen – mittels dem Spende von Trinkgeldern fest die Zügel in der Hand hält. Und sie als die Dienstleistern, die gegen Geld das tut, was er von ihr verlangt. Doch überraschenderweise ist das genaue Gegenteil der Fall.

Denn obwohl Jack Scarlet mit großzügigen Geldspenden überhäuft, ist sie es, die bestimmt, was sie tut und wie lange sie für ihn vor der Webcam verfügbar ist. Scarlet ist stets Herr über ihr Handeln und tut nichts gegen ihren eigenen Willens, selbst wenn Jack das von ihr verlangen würde.

Schauspielerin Julia Fox spielt ein Camgirl
Schauspielerin Julia Fox spielt ein Camgirl

Augenscheinlich ist dabei vor allem die recht unsubtile Erzählweise. Jack und Scarlet etwa sind mit ihrem jeweiligen Weltanschauungen, erster hat beispielweise ein eher nihilistisches Bild von der Welt, ohne zu penibel jedes Detail auszuformulieren, in der Handlung integriert. Auf den Punkt und ohne unnötige Ausschweifungen.

Dass der Film ab der Hälfe die Perspektive von Jack zu Scarlet wechselt, fügt dann noch eine weitere interessante Facette hinzu. Denn als Zuschauer erhält man dadurch nicht nur Einblick in die Lebenswirklichkeit der Konsumenten von Erotikcams, sondern auch in die der Personen auf der anderen Seite des Monitors, den Camgirls.

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Kein typischer Krimi- oder Thriller-Plot

Camgirl-Wahnsinnige-Begierde-Cover„Camgirl: Wahnsinnige Begierde“ beschreitet in vielerlei Hinsicht neue Pfade – und weicht von Erzählschemata ab, die man von anderen Genrevertretern schon zu genüge zu sehen bekommen hat. Das zeigt sich insbesondere im Abschnitt, in dem Jack glaubt, Scarlet in den Straßen New Yorks gesehen zu haben.

Scarlet streitet bei ihrer nächsten Cam-Begegnung mit Jack sofort ab, jemals in New York gewesen zu sein. Anstatt diesen Konflikt als Aufhänger für einen Erzählstrang mit Psycho-Horror-Elementen oder etwas Ähnliches zu nehmen, was an der Stelle typisch gewesen wäre, hält Ben Hozie jedoch weiter an seiner nüchternen Erzählweise fest. Und genau das macht „Camgirl: Wahnsinnige Begierde“ mehr zu einer Bestandsaufnahme realer Gegebenheiten und weniger zu einer übermäßig pedantischen Gesellschaftskritik.